Artikel

Neues vom KV Erfurt: Basisdemokratie chancenlos?

Die SPD setzt sich seit Jahren für mehr Bürgerbeteiligung in Form von Volksentscheiden auf Bundesebene ein, kann aber anscheinend auf Kreisebene ihre alten Strukturen des Delegiertensystems nicht ablegen. Wie passt das zusammen?

Am 26. März erschien in der Thüringer Allgemeine unter dem Titel „Debatte um mehr Basisdemokratie in der Erfurter SPD“ ein Artikel, der die Problematik darlegt.
So wollten die Jusos durch einen Änderungsantrag erreichen, „dass Parteitage als Vollversammlungen aller stimmberechtigten Mitglieder des Kreisverbandes stattfinden. Vorbei sollte es sein mit den Delegiertenversammlungen.“ Es verwundert schon sehr, dass es auf Kreisebene überhaupt ein Delegiertensystem gibt. Weiter heißt es: „Die Befürworter des Delegiertenprinzips meinen, dass sich ein Delegierter erst im Ortsverein zu bewähren habe. Wenn jeder mitrede, würden Entscheidungen unkalkulierbar.“ Genau hier sehen die PIRATEN das größte Problem der aktuellen Politik: Entscheidungen werden nicht durch einen breiten Diskurs mit allen Mitgliedern, anderen Parteien, Vereinen und den Bürgern des Landes erzielt, sondern in „Hinterzimmerpolitik“ von Wenigen gefällt. Dabei sind die Möglichkeiten der Einflussnahme auf wenige Entscheider stets leichter, als auf eine breite, mitsprache- und stimmberechtigte Parteibasis.

„Als ob die Mitglieder zu dumm sind, vernünftige Einscheidungen zu fällen.“, sagte Stadtrat Wolfgang Beese. Dies unterstreicht abermals die Angst des Kreisvorstandes vor der Unberechenbarkeit der Basis. In einer Basisdemokratie gilt es für den Kreisvorstand, Vertrauen zur Basis aufzubauen, transparent zu arbeiten und auch jederzeit Rechenschaft gegenüber seinen Mitgliedern ablegen zu können. Dies bedeutet natürlich viel Arbeit, aber vor allem – und da liegt der sprichwörtliche Hase im Pfeffer – einen Kontroll- und Machtverlust.
„Eine Ortsvereinsgründung muss von der Basis aus passieren. Ein Kreisvorstand ist dazu nicht befugt.“, so wird Egbert Spang, SPD-Ortsteilbürgermeister aus Mittelhausen, in der TA zitiert. An diesem fragwürdigen Vorgehen zeigt sich das größte Manko des Delegiertensystems: Es ist leichter, Mehrheiten sicherzustellen und für sich zu gewinnen. Im Zweifel, wie hier geschehen, eben durch die handstreichartige Gründung eines neuen Ortsverbandes.

Wolfgang Beese erklärt weiter: „Es war eine Lust, die ideenreichen Einlassungen der jungen Leute zu hören, manche von ihnen nicht einmal 20 Jahre alt. Keine Spur von Politikverdrossenheit“. Diese Erfahrung teilen wir in der Piratenpartei, denn erfahrungsgemäß muss man nicht alt sein, um einzusehen, dass das bisherige System der „alten“ Parteien nicht zukunftstauglich ist. Das Durchschnittsalter der Mitglieder der etablierten Parteien zeigt deutlich, dass diese in die Jahre gekommen sind. Die Piratenpartei erhält einen so regen Zuspruch durch junge Menschen, weil neben der gelebten Basisdemokratie auch die gleichberechtigte Möglichkeit zum Mitmachen und Mitgestalten auf jeder Ebene gegeben ist. Dabei wird nicht in Delegierte und Basismitglieder unterteilt, es gibt nur Piraten.

Holger Poppenhäger, Verfechter des Delegiertensystems, meint: „Delegierte sind aber nicht irgendwelche Leute, sondern auch die Basis.“ Eine Basis mit Stimmrecht eben! – möchte man fortsetzen. Und dies macht sie zu einer besonderen Form eines Mitglieds innerhalb der Partei, was schlussendlich eine innerparteiliche Zwei-Klassen-Gesellschaft bedeutet.

Die Thüringer Allgemeine weiter: „Man müsse schon fragen, ob immer alle zusammentrommelt werden müssen oder nicht. Poppenhäger sieht darin auch ein logistisches Problem.“ Ein Problem, welches man aber lösen kann und muss, denn Basisdemokratie bedingt Mehraufwand – ist aber nicht vergeblich! Denn der Gewinn an Glaubwürdigkeit stärkt wieder das Vertrauen in die Politik und stellt eine längst notwendige Abkehr vom Hinterzimmer-Prinzip dar. Nur durch die Einbeziehung aller Parteimitglieder in die Entscheidungen der Partei kann glaubhafte Politik gemacht werden.
„Wer kann denn einer Partei glauben, dass sie sich für mehr Bürgerbeteiligung und Volksentscheide einsetzt, wenn diese Partei nicht einmal imstande ist, ihre eigenen Mitglieder mitentscheiden zu lassen? Demokratie und Mitbestimmung müssen zuallererst innerparteilich gelebt werden.“, bemerkt André Bernhardt, Vorsitzender der Piratenpartei Kreisverband Erfurt.
Für die Mitglieder der PIRATEN ist Basisdemokratie ein essentieller Bestandteil des Zusammenlebens in der Partei. Die beschriebene Basta- und Von-oben-herab-Politik der Erfurter SPD halten wir für nicht zukunftsfähig.

Der Kreisparteitag der PIRATEN Erfurt am kommenden Samstag steht, wie auch alle Landes- und Bundesparteitage, allen Mitgliedern offen. Jeder darf dort Anträge einbringen, über diese abstimmen und den neuen Vorstand wählen. Natürlich begrüßen wir auch gern interessierte Bürgerinnen und Bürger oder Vertreter der Presse ab 10:00 im Vereinsheim Peterborn e.V.

Sollten Sie also einmal gelebte Basisdemokratie erleben wollen, dann kommen Sie einfach vorbei. Und sollten Sie selbst mitbestimmen wollen – Mitgliedsanträge stehen zur Verfügung, natürlich auch für Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands…

Quelle: Thüringer Allgemeine, 26.03.2011